Küken (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

Das Huhn – Geschichten vom Federvieh

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Brigitte Kohn
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Hühner symbolisierten einst Leben, Licht und Fruchtbarkeit. Heute stehen sie als Massenware für ökonomischen Profit. Doch immer mehr Privatleute holen Hühner wieder in ihre Gärten.

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Brutschränke sind effektiver als Tiere

Hühner sind vor allem eins: äußerst soziale Tiere. Sie schlüpfen heute meist aus künstlich befruchteten Eiern, und zwar in den Brutschränken spezialisierter Zuchtbetriebe. Brutschränke sind effektiver als Muttertiere: Es passen viel mehr Eier hinein als in ein natürliches Gelege. Den Legehennen in der Massentierhaltung hat man den Bruttrieb weitgehend weggezüchtet, damit sie sich nicht aufregen, wenn ihnen die Eier weggenommen werden. Und so haben viele Verbraucher des 21. Jahrhunderts kaum Chancen, eine brütende Glucke mal aus der Nähe zu sehen.

Der Gesellschaft ist das Schicksal der Hühner schon lange nicht mehr gleichgültig. Immer mehr Menschen wollen die Tiere wieder um sich haben und entdecken ihren Wert als Haustier. Prominente betätigen sich als Trendsetter. Isabella Rosselini, Schauspielerin und Model, hat sogar einen Fotoband über ihre Rassehühner veröffentlicht: „Meine Hühner und ich“. Darin stellt sie ihre Lieblingstiere vor.

Gesichtserkennung im Hühnerstall

Hühner können sich die Gesichter ihrer Gefährtinnen gut merken und mögen keine Eindringlinge. Sie brauchen stabile Ordnungen und viel gackernde Kommunikation, um sich sicher zu fühlen. In vorindustrieller Zeit lebten sie meist in kleinen Gruppen in dörflichen und städtischen Haushalten und liefen nebenbei so mit. Zur „Hühnerschar“ gehörte traditionell auch die Bäuerin, für die das Eiergeld früher die einzige selbstständige Einnahmequelle war.

Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass die Intelligenz und das Kommunikationsverhalten von Hühnern komplexer sind, als man gemeinhin denkt. Über viele unterschiedliche Laute und Berührungen etablieren die Tiere ihren Status in der Gruppe, regeln ihre Beziehungen und reagieren auch auf Menschen, die ihnen vertraut sind.

Rettet das Huhn!

Dass sie unter den Bedingungen der Massentierhaltung leiden, ist nachgewiesen. Trotzdem dauerte es bis zur Jahrtausendwende, bis die Legebatterien in Deutschland und der EU abgeschafft werden konnten. Andere Haltungsformen sind allerdings auch sehr strapaziös, wenn die Zahl der Tiere in die Tausende geht.

Die Hühner aus Esslingen vom Verein „Rettet das Huhn“ stammen aus Boden- oder Freilandhaltung. So robust und langlebig wie Rassehühner werden sie nie werden. Dennoch lohnt sich für sie die Mühe, die sie sich mit den vor dem Schlachthof geretteten Tieren macht. Denn die blühen sichtlich auf.

Hochleistungshühner futtern für möglichst viele Eier, setzen aber kaum Fleisch an. Nach einem Jahr sind sie erschöpft (Grafik) (Foto: SWR, Britta Wagner)
Hochleistungshühner futtern für möglichst viele Eier, setzen aber kaum Fleisch an. Nach einem Jahr sind sie erschöpft.

Hühner als ideale Nutztiere

Hühner sind ortstreu, halten zusammen und verlieren schnell die Scheu vor Menschen, die ihnen Unterschlupf und Futter bieten: ideale Voraussetzungen also für eine Karriere als Nutztier. Durch das Handelsvolk der Phönizier wurde das Haushuhn im ganzen Mittelmeerraum verbreitet. Besonders die Römer entwickelten bereits effiziente Zuchtmethoden und steigerten die Legeleistung.

Doch die Hühner waren im Altertum nicht in erster Linie als Nutztiere beliebt. Denn der Hahn war auch ein besonders attraktives Tier in Parks und königlichen Anlagen.

Huhn (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

Glucke als Sinnbild der Mütterlichkeit

Die Hühner imponieren durch ihr regelmäßiges Eierlegen. Eier gelten in vielen Kulturen als Symbole des Ursprungs, des Lebens und der kosmischen Einheit. Im Umgang mit ihren Küken ist die Glucke zum Sinnbild der Mütterlichkeit geworden. Glucken haben verschiedene Laute, um ihren Kleinen Futterquellen zu zeigen oder sie vor etwas zu warnen. Bei Gefahr und Kälte breiten sie die Flügel über ihnen aus und bieten ihnen Unterschlupf. Das hat ihnen vor allem im Christentum zu hoher Symbolkraft verholfen.

Günter Grass versetzt in seinem Gedicht „Im Ei“ die gesamte Menschheit in das Innere eines solchen und lässt es von einer riesigen Henne bebrüten: Das ist Gott. Und im Inneren des Eis geben sich die Menschen allen Hoffnungen hin, die mit Gott verbunden sind. Was aber, fragt Grass, wenn daraus nichts wird? Wenn es der Tod ist, der über uns brütet – nichts weiter?

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)