Bayern 2

     

radioTexte am Donnerstag E.T.A. Hoffmann: Fräulein von Scuderi (3/3)

Sprecher Christian Brückner liest E. T. A. Hoffmann | Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt

Donnerstag, 07.07.2022
21:05 bis 22:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Die Leselust an Mord und Verbrechen - daran hat sich auch nach zwei Jahrhunderten nichts geändert: Zum 200. Todestag des Ausnahmephänomens der deutschen Romantik liest Christian Brückner die erste Kriminalnovelle der deutschen Literatur. Eine Dichterin im Paris des "Sonnenkönigs" ermittelt in einer Raubmordserie.
Leicht gekürzte Romanlesung in drei Teilen mit Christian Brückner

"Wie ein unsichtbares tückisches Gespenst schlich der Mord sich ein in die engsten Kreise, wie sie Verwandtschaft - Liebe - Freundschaft nur bilden können, und erfasste sicher und schnell die unglücklichen Opfer … Das grausamste Misstrauen trennte die heiligsten Bande."
(Das Fräulein von Scuderi)

Paris, 1680: Die Metropole wird von Giftanschlägen und einer Raubmordserie gebeutelt. Adelige Herren der höchsten Kreise werden mit teuren Schmuckgeschenken auf dem Wege zu ihren Mätressen ermordet. Der "Sonnenkönig" ist ratlos, die Sonderkommission tappt im Dunkeln, der geschickteste Goldschmied von Paris scheint in die Juwelenmordserie verwickelt, und eine 73-jährige Dichterin beginnt, die richtigen Fragen zu stellen.

Diese Novelle machte aus E.T.A. Hoffmann einen berühmten Autor. Nebenbei war das Multitalent aus dem Land des Bernsteins auch noch Jurist, Komponist, Kapellmeister, Musikkritiker, Zeichner und Karikaturist. Noch bevor Hoffmann "Das Fräulein von Scuderi" in den dritten Band der "Serapions-Brüder" eingliederte, war sie 1818 erstmals veröffentlicht worden. Selig über den Verkaufserfolg schickten die Verleger dem 43-jährigen Verfasser nicht nur Honorar und Dankesbrief, sondern legten fünfzig Flaschen Rheinwein Rüdesheimer Hinterhaus dazu.

Ob nun diese Geschichte um eine Raubmordserie im Paris des "Sonnenkönigs" wirklich die erste Kriminalnovelle war oder nicht, wird bis heute unterschiedlich interpretiert. So oder so: Eines nachts klopft das Verbrechen buchstäblich an die Haustür der Magdaleine von Scuderi, die zwar keine richtige Detektivin ist, aber doch "Recherchen" einholt, nach Aufklärung strebt, einen Justizirrtum verhindern will. Die allseits respektierte und kluge Dichterin ist die rationale, sensible, mitdenkende Hauptfigur und künstlerisches Gegengewicht zum genialen, aber zwielichtigen Goldschmied René Cardillac ("grün funkelnde Augen"!), dessen Schmuckstücke eines Tages von der angeblichen Gaunerbande bei der Scuderi auftauchen, inklusive vielsagender Nachricht!

Ernst Theodor Wilhelm Hoffmanns historisch genau recherchierte und filigran durchdachte Kombination aus Künstlerroman und Kriminalfall war eine seiner vielen brillanten Ideen, die seiner Zeit voraus waren.

Die Lesung der "Scuderi" übernimmt kein Geringerer als Christian Brückner, dessen Stimme zu den profiliertesten und bekanntesten in Funk und Fernsehen zählt; im Film ist sie legendär: Seit Jahrzehnten verleiht Brückner Robert De Niro oder Harvey Keitel ihren typischen Filmsynchronsound. Christian Brückner ist Grimme-Preisträger und wurde mehrfach mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet - nicht "nur" als Hörbuchinterpret, sondern auch als Verleger mit seinem eigenen Label "Parlando", das er zusammen mit seiner Frau führt.

Moderation: Kirsten Böttcher
Redaktion: Judith Heitkamp