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April 2020

Kunstpause und Applaus (Teil I)

Nein, die Künste sind nicht verstummt. Und ja, es ist eine Krise. Und ja, Kunst und Kultur reflektieren uns, unsere Gesellschaft, unser System, laden zum Nachdenken, zum Zuhören, zum Zuschauen und auch zum Mitmachen ein. Künste sind systemrelevant. Wir haben deshalb relevante, mithin systemrelevante Partner*innen aus unserem Kulturnetzwerk gefragt, was macht Ihr? Wie sieht Eure Arbeit aus, wie vermittelt Ihr Kunst und Kultur in Zeiten, deren Gebote im Abstandhalten liegen.

Mitmachen, beteiligt sein sind Voraussetzungen für kulturelles Erleben. Diese Kriterien gelten ebenso im digitalen Raum. Kann es uns gelingen, gestärkt aus der Corona-Krise hervorzugehen und digitale Formen der Kunstvermittlung weiter zu etablieren? Was wird von der Erfahrung bleiben, als Museen und Galerien unbehaust, Bühnen unbewegt und Konzertsäle stumm waren, welche Veränderungen werden wir zu meistern haben? Und was macht man eigentlich nochmals in dieser Zuhausegeschäftsstelle? Wie sieht sie aus? Bei den meisten – so viel sei hier schon verraten - jedenfalls nicht oval.

Herzlichen Dank für die zahlreichen Antworten, die wir bei unserer kleinen Umfrage erhielten. Wir waren überrascht ob der großen Vielfalt an Meinungen, Stimmungen, Arbeitsweisen und Vorschlägen. Nicht zuletzt konnten wir eine ganze Reihe von Linktipps einsammeln, die wir hier nun in Form einer Serie vorstellen möchten.

Beginnen möchten wir mit zwei Galeristen, die beide mehr als nur einen Koffer in Berlin haben. Dennoch wandeln sie auf ganz unterschiedlichen Pfaden.

 

Aeneas Bastian sieht das veränderte Arbeiten als eine Möglichkeit, Gewohnheiten zu überwinden und erfreut sich dabei auch eines frischen Blickes auf viele Dinge, die sich von seinem scheinbar wohlbekannten Zehlendorfer Schreibtisch aus neu betrachten lassen. So sammelten sich dort zahlreiche Kinderzeichnungen an, die – obgleich entzückend – jedoch keineswegs zum Verkauf angeboten werden. Zum Verkauf hingegen stehen weiterhin Kunstwerke aus seiner Galerie. So hat BASTIAN Berlin/London nach dem Shutdown Online Viewing Rooms eingerichtet und Videos veröffentlicht, um nicht mehr zugängliche Ausstellungen sichtbar zu machen. Zudem werden mit den BASTIAN Moments jede Woche Highlights aus dem umfangreichen Archiv vorgestellt. Gefragt nach den Auswirkungen vermutet Aeneas Bastian, dass wir auch nach Aufhebung der Reisebeschränkungen alle weniger reisen werden. Seine Galerie mit einer starken Präsenz in London werde diese schwierige Zeit überstehen, Sorgen mache er sich jedoch um die vielen kleinen Galerien, die ein noch nicht etabliertes Programm vertreten, das in persönlichen Gesprächen vermittelt werden muss.

Selfie von Aeneas Bastian aus dem Homeoffice mit Kinderzeichnung.
Thomas Knepper (rechts) von b-gis aus Berlin und Daniel McLaughlin nehmen den Lechner Skulpturenpark in Obereichstätt und zuvor das Lechner Museum Ingolstadt in 3D auf. Die 3D-Kamera macht mit einem rotierenden Auge über 60.000 Bilder pro Minute. Aus dieser "Pixel-Wolke" werden dann mit modernster Software die 3D Ansichten erstellt. Bis Ende April 2020 hofft McLaughlin einen ersten digitalen Rundgang durch das Lechner Museum online präsentieren zu können" Foto: © b-gis, Alf Lechner Stiftung

Daniel McLaughlin macht Sport. Das ist sehr vorbildlich. Denn ein abwechslungsreicher Tagesrhythmus verhindere, dass der news-room mit in den bed-room wandert, wo er ja beim besten Willen auch nicht hingehört. Im Homeoffice heißt es: Buchhaltung optimieren, Archive aufarbeiten, Businessplan überarbeiten, Ausstellungsplanung neu aufstellen, aber ebenso Künstler*innen und Kunden kontaktieren, die Verbindung aufrechterhalten, zuhören. Daniel McLaughlin ist Kurator im Ingolstädter Lechner Museum und hat kürzlich im neuen Suhrkamp-Gebäude seine eigene Galerie eröffnet. Jetzt geht es darum, einen Instagram-Account aufzubauen, eine Digital-Strategie für Museum und Galerie zu entwickeln, damit diese z.B. auch in 3D besucht werden können. Ebenso wie Bastian erwartet auch McLaughlin, dass große Galerien noch größer werden, da sie über finanzielle Mittel, Strukturen und Rücklagen verfügen und kleine Galerien, die schon vor der Krise zu kämpfen hatten, nicht alle überleben werden. Was die Sammler betrifft, so denkt McLaughlin, dass im Kunsthandel mehrere Dinge geschehen werden: Er prognostiziert einen Preisverfall, da viele versuchen werden, Kunst nach der Corona-Krise zu verkaufen, um an cash-flow zu kommen, und eine lange Durststrecke, bis Menschen wieder Lust und Mut haben, Kunst zu kaufen und das Geld dafür übrig haben.

Um nicht ganz düster zu enden, sondern lichthaltig, lustig und mit Zuversicht, fragten wir noch, was jetzt besonders Spaß macht im weltweiten Netz. Die Antwort bei Aeneas Bastian lautet: prolog.museum-barberini.com  Denn, wer die wunderbare Monet-Ausstellung in Potsdam verpasst hat, findet hier weit mehr als nur einen virtuellen Ersatz. Dem schließen wir uns gerne an. Und McLaughlin lacht über "wait wait, don't tell me" auf NPR.

 

Wir freuen uns ebenso und kündigen schon hier die nächste Folge an. Dann geht es um Bach und Mendelssohn, auch irgendwie passend zur Osterzeit.

[S. H.]