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WissensWert 12 / 2019

Information & Dokumentation - Bibliothek, Archive, Digitalisierung

 
Frans Masereel, Die Sonne – München: Wolf, 1920 © VG-Bild-Kunst, Bonn 2019
 
 
 
 
 
 
 
 

Liebe Leserinnen und Leser!

Das Jahresende lädt zu Rück- und Ausblicken ein. So wendet sich „WissensWert“ zunächst in die Vergangenheit. Im Dezember beenden wir unsere kleine Reihe zur Hamburger Buchproduktion im 19. Jahrhundert mit einer Beschreibung der Heroldschen Buchhandlung in der Rathausstrasse. Auch die Rubrik „Ein Lied, ein Gedicht, ein Kunstwerk, ein paar Worte“ wendet sich dem 19. Jahrhundert zu. Im Mittelpunkt steht der Künstler Adolph Menzel (1815-1905).

Im dritten Artikel besuchen wir eine Ausstellung in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Anlässlich des 100. Geburtstages der Universität hat die Bibliothek einige Archivkästen von Gelehrtennachlässen aus ihrem Bestand geöffnet. „Wissen in Kisten“ läuft noch bis zum 5. Januar 2020. Bei „WWW-WissensWert“ geht es ebenso um Ausstellungen. Vorgestellt wird ein neuer Dienst in der Deutschen Digitalen Bibliothek – das DDBstudio, mit dem Online-Ausstellungen organisiert werden können.

Im letzten Artikel blicken wir auf ein Kunstwerk, das ganz auf die nächste Generation ausgerichtet ist. Was hat es wohl mit der „Bibliothek der Zukunft“ von Katie Paterson (*1981) auf sich?

Am Jahresende bedanke ich mich bei allen treuen und neuen Leserinnen und Lesern und wünsche Ihnen frohe Festtage und einen guten Jahreswechsel.

Viel Vergnügen beim Lesen und Entdecken wünscht

Andrea Joosten
Leiterin Information & Dokumentation

 
 
 
 
 
 
 
 
 
1. Die Hamburger Buchproduktion im 19. Jahrhundert: Heroldsche Buchhandlung
2. Information & Dokumentation im Dezember 2019
3. Ausstellung „Wissen in Kisten“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
4. Ein Lied, ein Gedicht, ein Kunstwerk, ein paar Worte – Adolph Menzel (1815-1905)
5. WWW-WissensWert: DDBstudio
6. Wissenswertes: Katie Paterson: Future Library
 
 
 
 
 
 
 
 
 
1. Die Hamburger Buchproduktion im 19. Jahrhundert: Heroldsche Buchhandlung
 
 
 

Um die Geschichte der Heroldschen Buchhandlung in Hamburg erzählen zu können, muss man deutlich weiter zurückgehen als bis in das 19. Jahrhundert. Eine erste Erwähnung erfolgte bereits 1737. Als der Inhaber der Buchhandlung Christian Herold 1766 starb, übernahm seine Witwe bis 1782 das Geschäft. Bis 1789 wurde es dann unter dem Namen Heroldsche Buchhandlung von zwei Angestellten geführt. Doch diese wirtschafteten das Unternehmen so herunter, dass es fast ganz in Vergessenheit geriet.

 
 
 

1789 übernahmen die Gebrüder Herold den Betrieb und führten ihn unter ihrem Namen fort. Aber sechs Jahre später trennten sich ihre Wege. Johann Gottfried Herold (1751-1832) ging nach Braunschweig. Ab 1797 eröffnete er zusammen mit seinem Schwiegersohn eine Buchhandlung mit Verlag in Lüneburg, der auch bestehen blieb, als Herold Lüneburg schon längst den Rücken gekehrt hatte. Von Herold & Wahlstab besitzt die Bibliothek der Hamburger Kunsthalle eine zweibändige „Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg für Schule und Haus“, die Wilhelm Havemann (1800-1869) zusammentrug, sowie einige Führer durch die Stadt Lüneburg.

 
Titelblatt. In: Havemann, Wilhelm: Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg für Schule und Haus. Lüneburg 1837-1838. Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=133570924 © Hamburger Kunsthalle
 
 
 
 

In der Zeit der Befreiungskriege um 1813 ging Johann Gottfried Herold nach Leipzig und leitete dort die J. C. Hinrichsche Buchhandlung. 1817 kehrte er nach Hamburg zurück und kaufte den Vollmerschen Verlag auf. Herold starb am 15. Oktober 1840. Sein langjähriger Mitarbeiter und Neffe Gustav Eduard Nolte, übernahm das Geschäft in der Rathausstrasse als Teilhaber von Herolds Witwe. Er legte den Schwerpunkt auf die Sortimentsbuchhandlung. Dennoch führte er auch die Verlagsgeschäfte fort. Der Schwerpunkt lag auf Schulbüchern und Publikationen für Kinder. Eine allgemeine Schulpflicht gab es damals in Hamburg noch nicht. Diese wurde erst am 11. November 1870 von Senat und Bürgerschaft beschlossen. Trotzdem war es nicht dumm, sich auf diese recht neue Literaturgattung zu spezialisieren.

Dann brannte es in Hamburg. Der Große Brand 1842 zerstörte die komplette Heroldsche Buchhandlung. Allein das Leipziger Verlagslager, das es immer noch gab, blieb natürlich bestehen. Doch Nolte ließ sich nicht entmutigen. Er baute die Sortimentsbuchhandlung wieder auf und nahm im Verlag die Evangelische Theologie als Themenschwerpunkt hinzu. Den Bereich der Kinderschriften verkaufte er 1855 an August Bagel (1809-1881) im niederrheinischen Wesel. Aber zuvor wurde erst einmal gefeiert. Gustav Eduard Nolte, selbst Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft, heiratete 1845 Minna (1823-1886), die Tochter des Kaufmanns und Senators Heinrich Geffcken (1792-1861).

1847 starb die Witwe Johann Gottfried Herolds. Ihr Neffe Richard Köhler trat als Mitinhaber an ihre Stelle. 1854 trennten Nolte und Köhler den Verlagsteil von der Buchhandlung. Eine der ersten Publikationen des neuen Verlags Nolte & Köhler war „Der Cicerone“, ein Führer durch die Hamburger Kunstausstellung im April und Mai 1856, ein früher Ausstellungsführer aus der Vorzeit der Hamburger Kunsthalle. Er ist auch der einzige Katalog von Nolte & Köhler im Bestand der Bibliothek der Hamburger Kunsthalle.

 
 
 
 
Titelblatt. In: Das Testament des Dr. Joachim Jungius, seine Verwaltung und seine Stipendiaten, zum 22. Oktober 1887. Hamburg 1887. Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=327855800 © Hamburger Kunsthalle
 
 
 
 

Das Verlagsprogramm unter Pape war breiter gefächert. In der Bibliothek der Hamburger Kunsthalle befinden sich sieben Publikationen. Dem Testament Jungius’ folgt die Geschichte Hamburgs, von Wilhelm Kohlhoff (1888-1916) geschrieben. Auch er war als Pädagoge in Hamburg tätig und schrieb das Buch auf Veranlassung der Oberschulbehörde. Etwas aus dem Rahmen fällt ein Buch über den Koran, das die 50 ältesten Suren in gereimter Übersetzung ins Deutsche von Martin Klamroth (1855-1890) enthält. Es war das letzte Werk des Philologen und Lehrers, der im Jahr seines Erscheinens, 1890, starb. Genau so ungewöhnlich sind die Gedichte von Ernst Reinstorff (-1893), die der Philologe in lateinischer Sprache verfasste, und die posthum unter dem Titel „Carmina nonnulla poetorum recentiarum Germanicarum“ 1895 veröffentlicht wurden. Adolf Metz publizierte 1900 einen Brief Max Müllers an die Deutschen. Der Untertitel „eine logische Studie“ weist auf einen philosophischen Tenor hin.

 
Titelblatt. In: Kohlhoff, Wilhelm: Grundriss der Geschichte Hamburgs. Hamburg 1889. Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=340946202 © Hamburger Kunsthalle
 
 
 
 

Das letzte Buch der Heroldschen Buchhandlung im Bibliotheksbestand ist eine Protestschrift.  Auf einer Versammlung am 20. März 1901 wurden Referate über das christliche Sittlichkeitsideal gehalten. Überall in Deutschland hatten sich im 19. Jahrhundert so genannte Sittlichkeitsvereine gebildet, die sich gegen die öffentliche Prostitution auf den Straßen, gegen Kuppelei und Mädchenhandel wendeten. So auch der 1890 gegründete „Verein zur Hebung der öffentlichen Sittlichkeit in Hamburg“. Er setze sich für bürgerliche Tugenden wie Fleiß, Ordnung, Sparsamkeit und Enthaltsamkeit ein. Pastor Friedrich Mahling und Lehrer Sydow gaben die kleine Publikation mit 29 Seiten Text heraus.

Die Bücher der traditionsreichen Heroldschen Buchhandlung in Hamburg stellen in der Bibliothek der Hamburger Kunsthalle nur eine Existenz am Rande dar. Sie stehen aber für die Verlagsproduktion einer der ältesten Buchhandlungen der Stadt.

 
 
 
 

Wer mehr lesen möchte:
Herold, Familie. In: Schmidt, Rudolf: Deutsche Buchhändler, deutsche Buchdrucker. Beiträge zu einer Firmengeschichte des deutschen Buchgewerbes. Band 3. Berlin 1905, S. 428-430

Schade, Herwarth von: „In Hamburg die größte Hoffnung auf Erfolg“. Hamburgs Buchhandlungen, Verlage und Druckereien im 19. Jahrhundert. Hamburg 1996, S. 40-41, 165

 
 
 
 
 
 
 
 
 
2. Information & Dokumentation im Dezember 2019
 
 
 

Bibliotheksbestände in Sammlungspräsentationen und Ausstellungen:
Transparentes Museum
Hamburger Kunsthalle, Lichtwark-Galerie, Erdgeschoß
http://www.hamburger-kunsthalle.de/transparentes-museum

Handapparate im Studiensaal:
Impressionismus
Nolde - aktuell
Rembrandt. Meisterwerke aus der Sammlung
100 Jahre Hamburgische Sezession

 
 
 
 
 
 
 
 
 
3. Ausstellung „Wissen in Kisten“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
 
 
 

Rein archivarische Ausstellungen sind recht selten. Das liegt sicher an der Empfindlichkeit der Materialien. Vielleicht denkt man aber auch, Archivalien seien zu trocken und schwer zugänglich. Dass dem nicht so ist, zeigen die Kuratoren Dr. Mark Emanuel Amtstätter und Dr. Jürgen Neubacher in ihrer Ausstellung „Wissen in Kisten“, die noch bis zum 5. Januar 2020 in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky gezeigt wird. Im Gegenteil! Sie präsentieren eine Fülle und eine Vielfältigkeit der in den Nachlässen Hamburger Gelehrter aufbewahrten Materialien. Damit machen sie gleichzeitig neugierig auf das noch Verborgene.

 
 
 
 
Blick in die Ausstellung „Wissen in Kisten“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky © Foto: A. Joosten, Hamburg
 
 
 

Aber bleiben wir erst einmal in der Ausstellung. In dem nicht allzu großen Raum werden nebeneinander Exponate aus insgesamt 11 Nachlässen ausgestellt. Anlass ist der 100. Geburtstag der Hamburger Universität in diesem Jahr. Doch die Geschichte der Universitätsbibliothek und der Wissenschaften in der Hansestadt beginnt bereits wesentlich eher. 1613 wurde das Akademische Gymnasium gegründet, das die Absolventen des Johanneums besuchen konnten. Gingen sie danach an eine Universität, konnten sie dort ihr Studium verkürzen. Das Akademische Gymnasium in Hamburg zählte europaweit zu den führenden wissenschaftlichen Einrichtungen.

Die Ausstellung zeigt aus dieser Zeit den Nachlass des Naturforschers, Joachim Jungius (1587-1657), der 1629 an das Gymnasium berufen wurde und von der Universität Rostock kam. Etwa die Hälfte seines handschriftlichen Nachlasses ging 1691 bei einem Brand verloren und doch besteht der gerettete Teil noch aus einem Zettelkasten mit ca. 40.000 Notizzetteln, die Literaturangaben, Berechnungen, Zeichnungen und Kommentierungen enthalten. Wie zu der Zeit üblich, war Jungius ein Universalgelehrter. Seine Notizen sprengen die reinen Naturwissenschaften und Mathematik und widmen sich ebenso ganz anderen Themengebieten. Die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg hat den Nachlass bereits vollständig digitalisiert (https://www.sub.uni-hamburg.de/bibliotheken/projekte-der-stabi/abgeschlossene-projekte/jungius.html). Die Ausstellung zeigt ein Porträt Jungius‘, eine Pflanzenzeichnung sowie zwei Bücher.

1883 wurde das Akademische Gymnasium geschlossen. Es hinterließ eine Lücke, die auch die wissenschaftlichen Anstalten, zu denen auch die Museen gehörten, nicht schließen konnten. Alfred Lichtwark setzte sich deshalb vehement für die Gründung einer Universität in Hamburg ein. Ansprechpartner für ihn im Senat war Werner von Melle (1853-1937). In den Briefen Lichtwarks, die sich im Historischen Archiv der Hamburger Kunsthalle befinden, werden auch einige Briefe des Direktors an von Melle verwahrt. Ab 1891 arbeitete er als Senatssyndikus, ab 1900 als Senator für das Allgemeine Vorlesungswesen und für die wissenschaftlichen Anstalten. Zeitweise fungierte von Melle auch als Erster Bürgermeister. Er wurde zum prägenden Kopf der Universitätsgründung, die Alfred Lichtwark leider nicht mehr erlebte, da er bereits 1914 starb. Der Nachlass Werner von Melles in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg umfasst private Briefe von Gelehrten, Dichtern und Künstlern sowie Kabinettfotografien. Die Ausstellung gibt einen kleinen Einblick in das Material.

Sie zeigt darüber hinaus weitere Nachlässe von Professoren aus den unterschiedlichen Fakultäten, so z. B. des Theologen Helmut Thielicke (1908-1986) oder des Sprachwissenschaftlers Otto Dempwolff (1871-1938), der die Sprachen Indonesiens und der Südsee erforschte. Von dem Literaturwissenschaftler Robert Petsch (1875-1945) liegen z. B. Briefe von Ida Dehmel in einer Vitrine.

Zur ersten Professorin der Universität Hamburg wurde die Philologin Agathe Lasch (1879-1942) berufen. Als Jüdin verbannten die Nationalsozialisten sie 1934 aus ihrem Amt. Später wurde sie ermordet. Die Ausstellung zeigt eine Vorlesungsmitschrift ihrer Studentin Annemarie Hübner (1908-1996), die das Werk von Agathe Lasch insofern weiterführte, als sie z.B. die Arbeiten an dem von Lasch mitbegründeten Mittelniederdeutsche Handwörterbuch über viele Jahre fortsetzte. Das Wörterbuch ist übrigens heute immer noch in Arbeit, zur Zeit unter der Leitung von Prof. Dr. Ingrid Schröder. Ein ähnliches Schicksal wie Agathe Lasch traf die Pädagogin Martha Muchow (1892-1933). Sie brachte sich 1933 selbst um. Der Nachlass gelangte über ihren Bruder Hans Heinrich Muchow in die Bibliothek.

Ebenfalls aus dem Fachbereich der Pädagogik stammt der Nachlass Wilhelm Flintners (1889-1990), der sich intensiv mit Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) beschäftigte. Seine Manuskripte, Typoskripte, wissenschaftlichen Werke, Tage- und Notizbücher sowie weitere Archivalien umfassen ca. 130 Archivkästen. Die Kisten, die der Ausstellung den Namen geben, bestehen aus säurefreiem Karton. Die Archivalien werden, meist nochmals in säurefreien Mappen oder Umschlägen verpackt, in diese Kisten gelegt.

Mitunter gestalten sich die Nachlässe zu regelrechten „Wundertüten“. Der Inhalt kann durchaus über die geschäftlichen Hinterlassenschaften hinausgehen. So z. B. bei dem Musikwissenschaftler Wilhelm Heinitz (1883-1945), der sich in seinem Beruf mit afrikanischer Musik beschäftigte, nebenher aber auch Gedichte schrieb. Die Ausstellung zeigt, dass diese wiederum von Komponisten vertont wurden.

 
 
 
 
Vitrine in der Ausstellung „Wissen in Kisten“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky © Foto: A. Joosten, Hamburg
 
 
 

Eine kleine Überraschung birgt ebenso der Nachlass von Lothar Collatz (1910-1990). Der Mathematiker, der 1953 das Institut für Angewandte Mathematik gründete, hinterließ der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg ungefähr 200 Archivkästen mit u. a. einigen Konzepten für Spiele. 1940 entwickelte er zusammen mit Ulrich Sinogowitz ein Inselspiel, von dem ein Zeugnis in der Vitrine liegt.

Dass die Ausstellung von den Kuratoren mit viel Liebe gemacht wurde, zeigt nicht nur die Zusammenstellung, sondern auch die Gestaltung. Selten wurde der Ausstellungsraum in der Bibliothek, in dem eigentlich immer zu viele Vitrinen stehen, so abwechslungsreich gestaltet. In seiner Mitte stehen einige geöffnete Archivkästen. Sie beherbergen eine kleine Broschüre, die jeder Ausstellungsbesucher mitnehmen darf. Neben den erwähnten werden im Anhang alle Gelehrtennachlässe von Personen der Universität Hamburg oder ihrer Vorgängerinstitutionen aufgelistet, die sich heute im Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg befinden. Auffällig ist, dass kein einziger Nachlass aus dem Kunstgeschichtlichen Seminar darunter ist. Vielleicht liegt es daran, dass die wichtigsten Kunsthistoriker aus der Anfangszeit der Universität – Erwin Panofsky (1892-1968) und Aby M. Warburg (1866-1929) aus Deutschland fliehen mussten, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Ihre Nachlässe gingen verloren oder befinden sich im Ausland. Das Gleiche gilt für den Philosophen Ernst Cassirer (1874-1945). Sein Nachlass wird in der Beineke Rare Books and Manuscript Library der Yale University in New Haven, eine der schönsten Bibliotheken der Welt, aufbewahrt.

 
 
 

Wer mehr lesen möchte:
Wissen in Kisten. Gelehrtennachlässe in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Broschüre zur Ausstellung Hamburg 2019/2020. Hamburg 2019
Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=1680023373

 
 
 
 
 
 
 
 
 
4. Ein Lied, ein Gedicht, ein Kunstwerk, ein paar Worte – Adolph Menzel (1815-1905)
 
 
 

Ein Lied:
Friedrich der Große (1712-1786): Flötenkonzert Nr. 3 in C-Dur, SpiF 90, I. Allegro
https://www.youtube.com/watch?v=fRqh-OnB_d8

Friedrich der Große war nicht alleine ein Herrscher, sondern ebenso ein Musiker und Komponist zahlreicher Flötenkonzerte. Adolph Menzels Darstellung des Preußischen Königs als Flötensolist zeigt diese Seite eindringlich. Auf dem Gemälde, das zur Sammlung der Nationalgalerie Berlin gehört, sitzt übrigens Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) am Klavier. Das Carl Philipp Emanuel Bach Chamber Orchestra unter der Leitung von Hartmut Haenchen und der Solist Manfred Friedrich präsentieren das Allegro aus dem dritten Flötenkonzert Friedrichs des Großen. Die Aufnahme entstand anlässlich des 300. Geburtstages des Komponisten im Jahr 2012.

 
 

Ein Gedicht:
Theodor Fontane (1771-1832): Unter ein Bildnis Adolf Menzels

Gaben, wer hätte sie nicht? Talente – Spielzeug für Kinder,
Erst der Ernst macht den Mann, erst der Fleiß das Genie.

(Quelle: http://www.zeno.org/Literatur/M/Fontane,+Theodor/Gedichte/Gedichte+(Ausgabe+1898)/Gelegenheitsgedichte/Unter+ein+Bildnis+Adolf+Menzels)

 
 

Fleißig war Adolph Menzel tatsächlich. Allein die Sammlung Online der Hamburger Kunsthalle verzeichnet mehr als 1.000 Werke des Malers, der ursprünglich aus Breslau stammt, aber ganz eng mit Preußen und der Stadt Berlin verbunden ist. 1840-1842 illustrierte er Franz Kuglers „Geschichte Friedrich des Großen“ (https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=150511264). Über den Kunsthistoriker Kugler lernte Fontane Menzel kennen. Sie verkehrten beide in diversen Berliner Salons, demjenigen von Kuglers Frau Klara und im Rütli, einer Abspaltung des literarischen Sonntagsvereins „Tunnel über der Spree“. Fontane bewunderte Menzel, schätzte dessen Humor, Witz und Originalität. Das Distichon (Zweizeiler) schrieb der Dichter zu Menzels 80. Geburtstag im Jahr 1895.

Ein Kunstwerk:

 
 
 
Adolph Menzel (1815-1905): Im Opernhaus, 1862. Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. HK-1268, https://online-sammlung.hamburger-kunsthalle.de/de/objekt/HK-1268 © Bildarchiv Hamburger Kunsthalle/bpk. Foto: Elke Walford
 
 
 

Die Subskriptionsbälle fanden im Berlin des 19. Jahrhunderts traditionell im Winter statt. Jährlich gab es einen solchen Ball am Opernhaus Unter den Linden. Adolph Menzel liebte die Musik. Seit 1861 arbeitete er an dem Gemälde, mit dem er dem Betrachter einen Einblick gibt. Vorne im Bild schreitet ein Paar durch den Korridor. Vom Gang aus schaut man durch eine offen stehende Loge auf die Königsloge. Zum Ball kam die höchststehende Gesellschaft – die Damen in voluminösen Kleidern, die Herren mit einem modischen Schnäuzer und langen Koteletten, mal in Uniform, mal im schwarzen Frack mit Zylinder. Der Verein von Kunstfreunden 1870 erwarb das Gemälde, 16 Jahre nach seinem Entstehen zu einem Preis von 30.000 Mark – einer enorm hohen Summe, wenn man bedenkt, dass ein Kilo Roggenbrot um 1900 ca. 23 Pfennig, ein Herrenzug 10-75 Mark kostete. Der Monatslohn eines Hafenarbeiters in Hamburg lag damals bei 61 Mark.

 
 

Ein paar Worte:
Jenns E. Howoldt: Adolph Menzel in der Hamburger Kunsthalle. Stuttgart 1993
https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=131897195  

Adolph Menzel malte und zeichnete Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Seine Gesellschaftsbilder sind Momentfotografien. Genau das interessierte Alfred Lichtwark an dem Berliner Maler. So findet man in der Sammlung der Hamburger Kunsthalle einen reichen Querschnitt durch Menzels Werk. Jenns E. Howoldt hat die Gemälde in einem Band der von der Hamburger Kunsthalle herausgegebenen „Kleinen Reihe“ beschrieben.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
5. WWW-WissensWert: DDBstudio
 
 
 

Die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) versammelt 10 Millionen digitalisierte Objekte. Sie fungiert als demokratisches Netzwerk, das den Zugang zu Wissen und Ressourcen schafft. Zwei Drittel davon stammen aus Bibliotheken und Archiven. Das letzte Drittel teilen sich Museen, Bildarchive und Forschungseinrichtungen. Die Hamburger Kunsthalle plant, die DDB im nächsten Jahr mit ihren Werken aus der Sammlung Online zu bereichern. Ein Kooperationsvertrag dazu wurde bereits geschlossen. Insgesamt vernetzt die DDB seit 2012 über 4.000 Institutionen. Die Objekte werden mit ihren Grundinformationen (Metadaten) über ein gemeinsames Portal zugänglich gemacht. Auf europäischer Ebene sind alle Daten aus der DDB in der Europeana integriert.

Bereits seit 2014 veröffentlicht die DDB virtuelle Ausstellungen. Acht Präsentationen widmen sich sehr unterschiedlichen Themen – der Papierkultur (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/bahnriss/), den Brüdern Grimm (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/grimm/), Schwarzwalduhren mit Figuren (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/figurenuhren/), einer Mediengeschichte des Ersten Weltkrieges (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/kino/), einer Geschichte des Bundesverfassungsgerichts (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/ka300/), einer Dresdner Maya-Handschrift (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/maya/), der Geschichte des Tanzes (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/tanz/) und den Forschungsreisen von Konrad Theodor Preuss (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/preuss/).

Im Oktober dieses Jahres kamen zwei weitere Ausstellungen hinzu, die mit einem neuen Tool, dem DDBstudio, entstanden. Mit Hilfe dieser Open-Source-Software können registrierte Kultureinrichtungen eigene virtuelle Ausstellungen zusammenstellen und online veröffentlichen. Entwickelt wurde die Software vom Roy Rosenzweig Center for History and New Media der George Merson University in Washington DC. Für die Nutzung des browserbasierten Tools benötigt man alleine das Internet und eben die institutionelle Regisitrierung in der DDB. Kurtoren können dann eigenständig Ausstellungen anlegen. Die Werke und ihre Metadaten stammen aus der DDB. Farbthemen und Layout-Templates stellt das DDBstudio zur Verfügung. Die Ausstellungen werden in der DDB abgelegt und gespeichert. Eine eigene URL ermöglicht die Einbindung der Ausstellung in die eigene Homepage.

Die Online-Ausstellungen funktionieren wie eine lineare Erzählung. Angelegt als responsives Long-Paper können sie auf verschiedenen Endgeräten aufgerufen werden. Eingebunden werden können Textinformationen, Bilder, 3-D-Objekte, Videos und Sound-Objekte. Die Bilder können hochaufgelöst eingespielt werden. Ihre Größe kann bis zu bildschirmfüllenden Graphiken reichen. Für den Internetnutzer bieten sich ganz neue Möglichkeiten, die Kulturobjekte zu erfahren. Digitalisierte Bücher lassen sich durchblättern. In Kunstwerke kann man hineinzoomen. Das alles ist in klassischen Ausstellungen nicht möglich und ein Mehrwert der Online-Präsentation.

Am 9. Oktober 2019 wurden die ersten beiden Ausstellungen veröffentlicht, die mit Hilfe des DDBstudios erstellt wurden. „Regen auf dem Schirm“ widmet sich dem Wetter (http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/regen/). Die Ausstellung verbindet Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften mit Kunstwerken und Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sie schöpft viele unterschiedliche Möglichkeiten aus, die das DDBstudio bietet.

 
 
 
 
Eingangsseite der Ausstellung „Albrecht Dürer – 500 Jahre Meisterstiche“, Kupferstich-Kabinett – Staatliche Museen zu Berlin. Quelle: http://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/duerer/
 
 
 

Die Ausstellung „Albrecht Dürer – 500 Jahre Meisterstiche“ geht auf eine Ausstellung zurück, die das Berliner Kupferstichkabinett 2014 anlässlich des 500. Geburtstages des großen deutschen Künstlers in ihren Ausstellungsräumen zeigte. Die Online-Präsentation ist angelegt wie eine kurze Broschüre zur Ausstellung. Nach einem Titelblatt werden das Projekt und die ursprüngliche Ausstellung beschrieben. Es folgen drei erste Meisterstiche mit kurzen Erläuterungen. Die Grundinformationen zu den abgebildeten Werken lassen sich in einer sogenannten Light-Box aufrufen. Hierbei handelt es sich um die Beschreibungen, die in der DDB hinterlegt sind. Für den Ausstellungsbesucher weist ein „i“ am Rand auf die Light-Box hin. Darunter befindet sich die übliche Lupe, die zum Zoomen einlädt. Mehr interaktive Möglichkeiten bietet die Ausstellung nicht. Nach den Meisterstichen leitet ein Text in das Thema der Ausstellung ein. Danach werden kurze Erläuterungen und weitere Werke in sechs Kapiteln präsentiert.

Das Angebot spricht sowohl Laien als auch Fachleute an, da verschiedene Ebenen der Informationstiefe genutzt werden. Wer sich nur unterhalten möchte, scrollt durch die lineare Ausstellung. Wer zusätzliche Informationen erhalten möchte, nutzt die horizontalen Abzweigungen. Ein „Burger-Menü“ am rechten oberen Rand fungiert als Inhaltsverzeichnis und gibt einen Überblick über alle Seiten der Ausstellung. Dieses kann man nutzen, wenn man ein Thema beispielsweise überspringen möchte.

Jeden Monat kürt die DDB eine Ausstellung des Monats. Im November ist dies die dritte Ausstellung, die mit dem DDBstudio erstellt wurde. Sie widmet sich dem Dresdner Unternehmer Heinrich Klemm (1819-1886), der die Konfektionsmode erfand und mit seinen Schnittmusterbögen ein Vermögen verdiente. Klemm begann, das Geld in eine Büchersammlung anzulegen, die den Grundstock für das Leipziger Buchgewerbemuseum, das heutige Deutsche Buch- und Schriftkundemuseum, bildete. Klemms Sammlung gehört heute zu den 100 größten Inkunabelsammlungen der Welt. Die Ausstellung, die anlässlich seines 200. Geburtstages zusammengestellt wurde, widmet sich dem Sammler und zeigt einige wenige Beispielwerke.

Die DDB stellt das DDBstudio allen Kulturinstitutionen kostenlos zur Verfügung. Da kann man gespannt sein, welche virtuellen Ausstellungen zukünftig aus dem reichen Pool der DDB entstehen werden.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
6. Wissenswertes: Katie Paterson: Future Library
 
 
 

In diesem Jahr haben wir immer wieder 150 Jahre zurückgeblickt, in die Anfangszeit der Kunsthalle. Schauen wir jetzt einmal nach vorne. Stellen Sie sich die Welt in der Zukunft vor – sagen wir einmal in ca. 100 Jahren. Wie werden die Menschen dann leben? Wie wird die Natur aussehen? In welchen Städten leben wir? Womit befassen sich die Menschen in ihrer Freizeit?

Angesichts des immer schneller werdenden Wandels fällt es schwer, Antworten auf diese Fragen zu finden. Katie Paterson (*1981) stellt derartige Fragen. Sie ist Künstlerin. Geboren in Schottland, lebt und arbeitet sie heute in Berlin. Besonders gerne beschäftigt sie sich mit der Zeit und den Möglichkeiten ihrer Archivierung. Welche Zeit beinhaltet die Natur und wie kann man sie sichtbar machen? Ihre Fragen stellt Paterson Wissenschaftlern und Forschern. In ihren Werken verbindet sie Forschung, Poesie, Philosophie, Politik und Kunst miteinander. Auf diese Weise entsteht z. B. eine Perlenkette aus Fossilien. In einem Künstlerbuch listet sie Tagträume wie kosmischen Staub auf. Ein anderes Werk legte den Fokus auf die Geräusche, die ein schmelzender Gletscher macht.

 
 
 
 
Umschlagvorderseite. In: Paterson, Katie: A place that exists only in moonlight. Heidelberg 2019. Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=3.4/XMLPRS=N/PPN?PPN=1025835166 © Hamburger Kunsthalle
 
 
 

Der Klimawandel spielt auch in dem Werk eine Rolle, für das sie 2014 einen Auftrag von der Stadt Oslo erhielt. Ihre Fragen gibt die Künstlerin dabei indirekt an Schriftsteller weiter – jedes Jahr an einen anderen. Aber eigentlich werden gar keine konkreten Vorgaben gemacht. Die einzigen Stichworte, die der Autor erhält, lauten „Fantasie“ und „Zeit“. Und die Zeit vergeht dieses Mal sehr langsam.

Den Anfang machten 1.000 Kiefern und Birken, die Paterson zusammen mit norwegischen Förstern im Nordawald, nördlich von Oslo, pflanzte. Die Bäume brauchen 100 Jahre, bis man sie nutzen kann. Aus ihnen möchte Paterson Papier für eine Buchauflage herstellen lassen. 2014 begann das Kunstprojekt, 2114 soll gedruckt werden. Bis dahin sammelt eine Stiftung 100 Texte bekannter Autoren – wie gesagt, in jedem Jahr einen neuen Text. Der ausgewählte Autor hat ein Jahr Zeit, sich mit den beiden vorgegebenen Wörtern zu beschäftigen. Dann übergibt er seinen Text in einer feierlichen Zeremonie, die mitten zwischen den Bäumen abgehalten wird. Wie die Jahresringe der Bäume bilden sich die Geschichten als Buchkapitel ab. Doch bis zum Druck liegen die Texte verschlossen zunächst im Stadtarchiv. Niemand darf sie lesen. Bekannt sind sie alleine den Autoren. Der heutige Leser kennt nur die Titel. Den Text schreiben die Autoren für einen zukünftigen Leser – für die nachfolgende Generation.

Katie Paterson plant gerade einen eigenen Raum für die Manuskripte in einer neuen Stadtbibliothek in Oslo. Hier hinein kommen bisher die Texte von Margaret Atwood (*1939), David Mitchell (*1969), Sjón (*1962), Elif Shafak (*1971), Han Kang (*1970) und Karl Ove Knausgård (*1968). „Future Library“, „Frantidsbiblioteket“ oder „Bibliothek der Zukunft“ heißt Patersons Werk. Es verbindet die Vergangenheit, in Form eines gedruckten Buches und die Gegenwart, in persona der Autoren, mit der Zukunft, den Lesern. Das unglaublich langsam entstehende Kunstwerk erfordert vorausdenkendes Handeln. In unserer schnelllebigen Zeit ist das eine seltene Eigenschaft.

Und wie wird das Werk wohl im Jahr 2114 aufgenommen? Wie wird dann gelesen? Wie sehen die Bibliotheken aus? Welche Bücher werden überhaupt noch gedruckt? Auch diese Fragen stellt Katie Paterson mit ihrer „Future Library“.

 
 
 
 
 
 
 
 

Die nächste Ausgabe von „WissensWert“ erscheint im Januar 2020.

Wir würden uns freuen, wenn Sie „WissensWert“ auch Ihren Freunden und Bekannten weiterempfehlen, indem Sie diese E-Mail einfach weiterleiten.

Wünsche und Kommentare nehmen wir jederzeit gerne entgegen
bibliothek@hamburger-kunsthalle.de

 
 
 

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Hamburger Kunsthalle Stiftung öffentlichen Rechts, Glockengiesserwall 5, 20095 Hamburg

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